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Juanita’s Nähbox

Ich lerne Juanita kennen, als ich mit dem Rad durch die Schmiedgasse zische. Bin eigentlich schon vorbei und kehre dann noch einmal um. Sie verkauft ihre Sachen vor der Spielzeugschachtel und ich bin neugierig. Schließlich kaufe ich mir einen grandiosen Eulen-Schlüsselanhänger und frage: „Gibt es diese Sachen in der Spielzeugschachtel? Immer?“
Und sie sagt ja und: „Du kannst mich aber auch in meinem Atelier in Stattegg besuchen.“
    Jetzt habe ich es endlich geschafft, Juanita – und ihre Familie – zu besuchen.
 Zur Erklärung: Juanita macht Patchworksachen im besten Sinne des Wortes. Liebevoll handgenäht, mit viel Liebe zum Detail – gibt es Stofftiere, (Tier-)Schlüsselanhänger, Puppen, selbstgenähte oder selbst-aufgepeppte Kleidung. Die Zutaten für ihre feinen Sachen besorgt Juanita in den USA oder übers Internet.
    Ich komme erst einmal eine Stunde zu spät, was zum Teil auf meiner geographischen Fehlannahme basiert, Stattegg sei im Süden von Graz.
„Kein Problem“, sagt Juanita, „in Kolumbien ist das normal.“
Juanita bietet mir Kaffee an und wir setzen uns auf die Terrasse, den ihr Mann ihren „Urwald“ nennt. Nachdem ich schon eine Million Fragen gestellt habe, sagt Juanita: „Also gut, die ganze Geschichte – von Anfang bis Ende.“
    2005 zieht Juanita nach Graz. Als Architektin hat sie in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá ein Architekturbüro mit 250 Angestellten. Auftraggeber sind unter anderen internationale Unternehmen, Franchise-Betriebe, deren Aussehen und Einrichtung Aufgabe von Juanitas Büro ist.
    Mauricio, ein Freund und Geschäftspartner Juanitas, will sie seit Jahren mit einem österreichischen Arbeitskollegen verkuppeln. „Du musst ihn kennenlernen“, sagt er zu ihr. „Ihr seid für einander bestimmt, das weiß ich!“
„Ich wollte das nicht“, erzählt Juanita. „Ich habe gesagt, was brauche ich einen Mann, der in Europa lebt? Ich wollte nicht nach Europa ziehen.“
Dann, nach drei Jahren erfolgloser Verkupplungsversuche, schafft es Mauricio tatsächlich, dass die beiden sich treffen – und – ein Feuerwerk explodiert über den Köpfen der beiden – es ist Liebe auf den ersten Blick. Wenige Stunden nach dem ersten Kennenlernen macht Erich Juanita einen Heiratsantrag und sie – sagt „ja“. Juanita regelt ihre Angelegenheiten in Kolumbien und zieht wenige Monate später nach Graz.
    Alles beginnt also mit einer Liebesgeschichte.
    Und dann kommt Emilia ins Spiel, Juanitas und Erichs mittlerweile 5 Jahre alte
Tochter.
Juanita richtet Emilias Zimmer ein, designt, gestaltet, näht. Ihre Freundinnen finden das großartig und sind zufällig auch gerade schwanger – und wollen auch solche Kinderzimmer für ihre Zwerge.
Juanita sagt: „Das ist sehr viel Arbeit. Ich bereite alles für euch vor – die Schnitte, die Stoffe, die Knöpfe – und dann treffen wir uns und nähen gemeinsam.“
Gesagt – getan. Bald kommen noch mehr Freundinnen hinzu und der Platz zu Hause wird zu klein. Also werden die Nähkränzchen ins Kaffeehaus verlegt. Was aber zur Folge hat, dass noch mehr Leute mitmachen wollen. Im Keller der Wohnung wird also ein Atelier eingerichtet, wo ab sofort genügend Platz für die Costureros ist.
Costu-was? Nähkränzchen haben in Kolumbien Tradition. Bloß heißen sie dort nicht Nähkränzchen (was - zugegeben - ein furchtbares Wort ist), sondern (übersetzt) „Nähschachtel“ – woraus sich Juanitas Nähbox auch ableitet.
    Die Costureros und das Entwerfen und Nähen haben auch in Juanitas Familie Tradition.
Da gibt es zum Beispiel Juanitas Großmutter, die jeden Mittwoch von 15 bis 18 Uhr zu einem Costurero geht. Und das seit 50 Jahren. Bei diesen Treffen mit ihren Freundinnen wird allerdings mehr gekocht, getratscht und gegessen als Handarbeit gemacht.
Juanitas Mutter, die Stoffdesignerin ist und als solche mittlerweile seit Jahren in Miami lebt, hat als kleines Mädchen schon für ihre Puppen Kleider entworfen, Schnitte gezeichnet, genäht.
    Juanitas Atelier ist ein buntes Allerlei aus schön sortiertem Allem: Knöpfen, Bändern, Stoffen, Nähgarn und fertigen Produkten. Sehr sehr hübsch.
Mittlerweile finden da regelmäßig Workshops statt, auch für Kinder.
Zu den Workshops kommen auch zunehmend junge Frauen, erzählt Juanita: Bei Frauen zwischen 18 und 28 boomt Handarbeit. (Ja, man denke etwa an diverse Guerilla-Knitting-Aktionen der letzten Zeit.)
    Juanita ist nicht nur äußerst vielseitig und kreativ, sie ist auch engagiert und überlegt: „Ich bin ein sehr offener Mensch und tue mich nicht schwer beim Kennenlernen neuer Menschen oder Kulturen. Es gibt aber in Graz sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund, die sich nicht so leicht integrieren können wie ich.“
Also geht sie zum Bürgermeister von Stattegg und schlägt ihm vor, einen Oster- und einen Weihnachtsmarkt zu veranstalten, bei dem junge KünstlerInnen aus Graz und Umgebung ihre Sachen ausstellen können; wo Menschen zusammenkommen, einander kennenlernen, gemeinsam feiern, nähen usw.
Der Stattegger Bürgermeister ist einverstanden und – siehe da: Mittlerweile feiern die Stattegger Märkte mehrjähriges Bestehen und erfreuen sich großer Beliebtheit. Zweiundzwanzig KünstlerInnen aus der Umgebung stellen dort ihre Sachen aus, es gibt Kasperltheater und Bands, Clowns und Glühwein, diverse Workshops.
    „Was war das Schwierigste für dich in Österreich?“, will ich von Juanita wissen.
„Ganz ehrlich?“, sagt sie, „die Jahreszeiten. In Kolumbien haben wir keine Jahreszeiten. Es ist immer alles da, wir haben das Meer, die Berge und Schnee, tropisches Klima. Ich kann immer alles kaufen, immer alles kochen. In Kolumbien gibt es keine Urlaubszeit – wir können immer Urlaub machen.“
Und Apropos Integration: „Juanita ist mehr Österreicherin als ich ein Österreicher bin“, sagt ihr Mann Erich. Juanita hat wunderbare Dirndlstoffe eingekauft und plant eine ganze Kollektion damit: Neue Schnitte mit traditionellen Stoffen soll es geben. Außerdem wird Juanita von einer Costurero-Freundin bald traditionell österreichische Handarbeitstechniken lernen.
    Wie man sich vermutlich bereits denkt, ist Juanita eine Powerfrau, der nie langweilig wird. Und wenn sie mal doch für einen Moment Langeweile verspürt, sucht sie sich im Handumdrehen ein neues Projekt. Zum Beispiel hat Juanita vor ein paar Wochen in Miami eine Ausbildung zur Cupcake-Bäckerin gemacht und einen virtuellen Cupcake-Laden – Emilia’s Bäckerei eröffnet.

Fazit: You just have to love her!


Juanitas Sachen kann man übrigens u.a. im Kunsthaus, im Frida & Fred oder in der Spielzeugschachtel kaufen.

Mehr Infos auf:
https://www.facebook.com/JuanitasNaehbox?fref=ts
http://juanitas-naehbox.com/
www.emiliakaltmann.wordpress.com
www.facebook.com/EmiliasBackerei


Bildrechte: (C) Katerina Cerna
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[Kolumne/katerina cerna/17.09.2013]





    Kolumne/katerina cerna


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